Selbstverständnis
Wir verfolgen das Ziel, jungen Menschen Orientierung und einen geeigneten Rahmen zur individuellen Persönlichkeitsentwicklung zu bieten. Besonders dann, wenn Jugendliche in ihrer aktuellen Lebenssituation von Entwicklungsstörungen, Verhaltensproblemen, Straffälligkeit, Drogenabhängigkeit und Alkoholproblemen betroffen sind oder in der Gefahr stehen, eine Manifestation dieser Problematik zu entwickeln, ist fachliche Hilfe angezeigt. Hierfür wurden und werden im Rahmen der Jugendhilfe Maßnahmen und Hilfestellungen entwickelt, die einem ganzheitlichen Ansatz und Menschenbild folgen, das unabhängig von Geschlecht, Nationalität und Religion ist. Wir verstehen Devianz, Gewalttätigkeit und Sucht als eine wesentliche Beeinträchtigung der sich entwickelnden Persönlichkeit. Solche Probleme stehen manchmal in Wechselwirkung mit psychischen Störungen (Comorbidität), manche junge Menschen zeigen selbstverletzendes Verhalten. Solche Phänomene stellen daher kein Ausschlusskriterium für eine Aufnahme in der Einrichtung dar. Jungen Menschen bieten wir Unterstützung in schwierigen Phasen ihrer Persönlichkeitsentwicklung durch eine „Rund-um-die-Uhr-Betreuung“ mit umfassenden heilpädagogischen,
sozialpädagogischen, psychotherapeutischen und sozialtherapeutischen Maßnahmen an. Durch einen klar strukturierten Rahmen erhalten die jungen Menschen Orientierung, um einen Weg aus der oft „gelernten Hilflosigkeit“ herauszufinden. Sie lernen, die Konflikte des Lebens zu handhaben, ihre Ressourcen schöpferisch zu entfalten und damit Aufgaben und Anforderungen besser zu bewältigen. Sie sollen ihre Sozialbeziehungen sinnvoller gestalten sowie ihre gesellschaftlichen Teilhabechancen ergreifen können. Damit entwickeln sich zugleich auch Hilfestellungen, um sich in eine geschlechtsspezifische, gesellschaftliche und berufliche Identität hinein zu finden. Der junge Mensch wird sichtbar und verantwortlich. Durch unsere verschiedenen Einrichtungen im Verbund werden individuelle und flexible Angebote für junge Menschen vorgehalten und umgesetzt, beispielsweise eine weiterführende Betreuung für die nachhaltige Verselbständigung bei Veränderung der Kostenzuständigkeit oder der Indikation, um eine möglichst umfassende psychosoziale Unterstützung mit geeigneter Perspektive anzubieten.
Zielgruppe
Aufnahme finden junge Menschen, unabhängig von Geschlecht, Religion und Nationalität, die in ihrer aktuellen Lebenssituation von Drogenabhängigkeit betroffen sind, oder bei denen eine starke Gefährdung vorliegt, und eine Manifestation der Problematik bei ausbleibender stationärer Hilfestellung als wahrscheinlich erscheint. Drogenmissbrauch und Abhängigkeit ist häufig von abweichendem Verhalten wie z.B. Straffälligkeit begleitet, dies ist daher kein Ausschlusskriterium. Nicht selten stehen Drogenmissbrauch und Drogenabhängigkeit in Wechselwirkung mit psychischen Störungen, womit diese ebenfalls kein Ausschlusskriterium bilden. Als geeignete Altersgruppe bei Aufnahme werden 13- bis 18-Jährige gesehen, wobei Ausnahmen das Alter betreffend möglich sind.
Bei Vorliegen der Kostenübernahme durch die Heimatbehörde und bei gegebener Indikation ist auch eine überregionale Aufnahme möglich. Die jungen Menschen erhalten einen Rahmen, in dem sie Orientierung bekommen, um aus der oft „gelernten Hilflosigkeit“ herauszufinden. Sie lernen die Konflikte des Lebens handzuhaben, ihre schöpferisch kreativen Fähigkeiten zu entfalten. Sie erleben sich idealerweise als Gestalter ihrer Biographie, sie lernen ihre Sozialbeziehungen fruchtbar zu gestalten sowie ihre gesellschaftlichen Teilhabechancen zu ergreifen. Nicht zuletzt bekommen sie Hilfestellung eine geschlechtsspezifische, gesellschaftliche und berufliche Identität im Sinne der Integrativen Identitätskonzeption (Petzold 2001p) zu entwickeln, um in einer demokratischen Gesellschaft verantwortlich und initiativ mitzuwirken.
Hintergrund und Zielstellung
Als die Initiatoren 1999 die Arbeit der „par-ce-val Jugendhilfe im Verbund“ begonnen haben, konnten sie auf zwei sich ergänzende Referenztheorien und deren bis dahin vorliegenden Erkenntnisse aufbauen: die „Anthroposophie“ und die „Integrative Therapie“. Eine solche „Kombination“ zeigt eine Neuorientierung in der langen therapeutischen und heilpädagogischen Tradition der Anthroposophie, die damit Konzepte der klinischen Sozialtherapie und klinischen Psychologie für ihre Einrichtungen fruchtbar zu machen sucht. Ihr „ganzheitlicher“ Ansatz verlangt dabei eine konzeptuelle „Anschlussfähigkeit“, und diese hat sich in der „Integrativen Therapie“ angeboten, so dass sich besonders im Suchtbereich verschiedene fachliche Kooperationen ergeben haben (vgl. Petzold, Ebert et al. 2006). Die Herausforderung bestand darin, jungen bis sehr jungen Menschen mit schweren Anpassungsstörungen sowie
Drogen- und Alkoholproblemen einen Betreuungsrahmen zu ermöglichen, der die Qualitäten einer strukturierten klinischen Einrichtung mit Qualitäten und Möglichkeiten einer Jugendhilfeeinrichtung erfolgreich verbindet. Damals gingen die Initiatoren davon aus, dass dies nur über einen stark beziehungsorientierten und engagierten Ansatz sozialer Arbeit gelingen konnte. Diese Annahme hat sich in der Praxis der letzten Jahre bestätigt und wird von den Ergebnissen der aktuellen Erhebungen zu „therapeutischen Wirkfaktoren“ — ein zentrales Konzept des Integrativen Ansatzes (Petzold 2003a, 745, 1037) — in unseren Einrichtungen dokumentiert. Tatsächlich wird den Jugendlichen durch einen hohen Partizipationsgrad die Möglichkeit zur Mitgestaltung und damit auch zur Verbindung und Identifikation mit der Einrichtung bzw. dem Träger gegeben und damit eine beispielgebende Praxis zur Lebensgestaltung persönlich verfügbar.
Jugendliche und Drogen
Es ist heute keine Besonderheit mehr, wenn 11 bis 13-jährige bereits weitreichende Erfahrungen mit Alkohol, Nikotin, Cannabis und nicht selten auch mit Heroin und Kokain machen. Ausschlaggebend dafür, ob aus dem Ausprobieren eine Abhängigkeit erwächst, ist die aktuelle konstitutionelle und psychosoziale Situation in der sich die jungen Menschen befinden. Negative Konstellationen von biographischen Gegebenheiten können zu Entwicklungsstörungen führen. In dieser Phase werden schließlich auch die Weichen für die schulische und berufliche Karriere gestellt; somit kann das Ausprobieren von Drogen in manchen Fällen fatale weit reichende biographische Folgen haben.
Therapeutische Ziele
Mit der Orientierung an der Anthroposophie möchten wir in unseren kulturpädagogisch ausgerichteten Gemeinschaften jungen Menschen in schwierigen Phasen ihrer Persönlichkeitsentwicklung mit zeitgemäßen fachlichen Maßnahmen Hilfestellung leisten und ihnen Unterstützung anbieten. Damit soll es ihnen ermöglicht werden, Orientierung zu finden und dadurch aus ihrer oft „gelernten Hilflosigkeit” herausfinden. Sie können so in einem geschützten Rahmen lernen, die Konflikte und Erfordernisse des Lebens besser zu handhaben, ihre schöpferisch-kreativen Fähigkeiten zu entdecken und zu entfalten, sich als aktiven Gestalter ihrer eigenen Biographie zu erleben und ihre Sozialbeziehungen fruchtbar zu gestalten. Letztendlich soll es ihnen dadurch möglich werden, ihre gesellschaftlichen Teilhabechancen besser ergreifen zu können, sowie eine geschlechtsspezifische, gesellschaftliche und berufliche Identität zu entwickeln. Voraussetzung dafür ist der Erwerb geeigneter Sozialkompetenzen, der Erwerb einer ausreichenden Allgemeinbildung, die Ausbildung hinreichender Frustrationstoleranz und eine gewisse Problemlösekompetenz, all dies neben weiterführenden Schulabschlüssen.
Prämissen
Die Lebenslagen von Familien, Kindern und Jugendlichen werden in ihrer Ganzheitlichkeit und als komplexes soziales System wahrgenommen. Auf dieser Grundlage bestimmt der tatsächliche Hilfebedarf und nicht das “vorhandene” Hilfsangebot den Hilfeverlauf. Durch die Kooperation mit anderen Trägern der Jugend- und der Suchthilfe wird über Trägerinteressen hinaus die jeweils optimale Hilfeform für die Betroffenen ermittelt und ermöglicht. Kinder, Jugendliche und Familien können durch die Einbindung unserer Hilfen in das Gesamtangebot der Jugendhilfe- und Suchthilfeangebote, sowie der anthroposophischen Initiativen durch verschiedene Hilfeformen begleitet werden. Damit wird eine kontinuierliche Hilfeplanung für die Kinder und Jugendlichen möglich gemacht. Wechsel der Betreuungsformen, die z.B. notwendig werden durch Phasen von Selbständigkeit und Hilfebedarf, können so für den Einzelnen im Projekt-Verbund sinnvoll sein. Wir verstehen unseren Ansatz als lebensweltorientiert und integrativ. Deshalb hat beispielsweise Eltern- und Familienarbeit einen ebenso hohen Stellenwert für uns, wie auch das Einbeziehen von sozialen, regionalen, kulturellen und gesellschaftlichen Gegebenheiten.
Partizipation
Partizipation und Mitgestaltung wird ermöglicht, in dem die tragenden Säulen dazu gleichermaßen aus den jungen Menschen, den beratenden Pädagog*innen sowie der Einrichtungsleitung bestehen. Die Bereitschaft zur Zusammenarbeit dieser tragenden Säulen und ein offenes Leitungswesen ermöglichen eine funktionierende Kinder- und Jugendvertretung. Nur wenn der junge Mensch Mitsprachemöglichkeiten erlebt und umsetzen kann, wird die Partizipationsmöglichkeit für ihn als sinnvoll erlebt. Im Allgemeinen verpflichten wir uns zur Herstellung von Transparenz in allen Entscheidungen des Alltags und im Gruppenleben. Um die jungen Menschen wahrhaftig teilhaben zu lassen, werden für verschiedene Bereiche junge Menschen aus der Gruppe nominiert und erwählt, die verantwortungsvolle Aufgaben übernehmen und zugleich Ansprechpartner in diesen Bereichen für die anderen Kinder und Jugendlichen sind.
Das betrifft zum Beispiel die Freizeitgestaltung, die Sportverantwortung, die Hausverantwortung und den Vertrauensrat. Strukturell sind einige Punkte klar festgelegt, zum Beispiel wie oft Sport- und Kulturveranstaltungen stattfinden. Die inhaltliche Ausgestaltung der Strukturpunkte ergibt sich aber auch aus Vorschlägen der jungen Menschen und durch Aushandlungsprozesse mit den Mitarbeitern. So werden die Freizeitveranstaltungen an Wochenenden gemeinsam im Gruppengespräch beschlossen und festgelegt, Kulturveranstaltungen und Projekt werden inhaltlich gemeinsam geplant und vorbesprochen.
Bei der Gestaltung der Wohn-, Funktions- und Gruppenräume findet Mitgestaltung statt, da es um den Lebensraum der Kinder und Jugendlichen geht. Der Partizipationsprozess an Absprachen und Regeln innerhalb der Einrichtung ist an unterschiedlichen Stellen der Konzeption beschrieben.